Was für den einen große Ernteausfälle bedeutet, bringt dem nächsten, wie in diesem Jahr, prall gefüllte Obstbäume und Rekordernten. Die ganze Existenz ist abhängig von einer unbeeinflussbaren Kraft. Das alles sollte man sich, neben dem Aufwand den es bedeutet Gemüse groß zu ziehen, als Konsument bewusst machen.
Für uns ist jedes Fitzelchen Gemüseschale, Stiel und Stängel umso wertvoller geworden. Denn all das landet, wenn es nicht verarbeitet wird, bei uns auf dem Komposthaufen und verrottet zu wertvollem Humus, den wir für die nächste Gartensaison wieder in den Boden einbringen, um ihm die wichtigen Nährstoffe zurückzugeben, die er in unsere Pflanzen gesteckt hat.
Hier auf dem Land leben wir aber nicht nur direkter mit der Natur, auch unsere Art zu kochen hat sich verändert. Noch vor wenigen Jahren dachten wir, es braucht Gewürze, ausgefallene Zutaten und aufwändige Rezepte, um besondere Gerichte zu kreieren. Davon distanzieren wir uns schon eine Weile aber seit diesem Jahr umso mehr. Wenn man so viel Energie in die Erzeugung eines Gemüses steckt, ist das Ziel beim Kochen den natürlichen Geschmack zu erhalten oder mit nur wenigen Zutaten zu verstärken. Obst und Gemüse muss nicht erst zu etwas Wohlschmeckendem gemacht werden, denn das hat die Natur schon für uns erledigt. Dafür muss man sich aber auch auf den Geschmack der Natur einlassen. Auf dem Feuer zubereitet, nur mit wenig Salz abgeschmeckt. Dazu Hülsenfrüchte und Nüsse, mal mit Essig, Öl, Senf oder Kräutern verfeinert. Mehr braucht es eigentlich nicht für eine ausgewogene, gesunde und schmackhafte Kost. Wie schön ist es doch, dafür ganz spontan in den Garten zu gehen und einfach zu pflücken, wonach uns gerade ist. Wonach unser Körper gerade verlangt.
Erntedank. In Zeiten, in denen jedes Obst und Gemüse zu jeder Jahreszeit schön poliert in der perfekt beleuchteten Auslage der Supermärkte zu haben ist, hat dieses Fest wohl an Bedeutung verloren. Für uns hat es in diesem Jahr mehr Wichtigkeit denn je. Denn nach all der Arbeit, sind wir mehr als Dankbar für das, was uns die Natur geschenkt hat. Immer wieder haben wir schon von unserem Garten erzählt. Sei es über die ersten Ideen im Frühjahr, unser Gewächshaus, die Kirschernte, Zucchinischwemme oder unsere üppige Apfelausbeute. Wir haben in unserem ersten Gartenjahr wahnsinnig viel gelernt. Neben der Bewirtschaftung selbst war diese Erfahrung vor allem für uns persönlich bereichernd und davon möchten wir euch ein wenig erzählen. In den vergangen Monaten haben wir vor allem gelernt wie zufriedenstellend es sein kann, sich selbst seine Lebensgrundlage zu schaffen. Nicht vorrangig für Geld zu arbeiten, sondern die Arbeitskraft unmittelbar in die Produktion von Lebensmitteln zu stecken. In Gemüse, das man vom Saatkorn groß gezogen hat – die ersten Blättchen, die aus der Erde sprießen, das Einpflanzen in den eigenen Grund und Boden, die Pflege, das Wachstum, Fruchtbildung, Ernte, Zubereitung. Eine saisonale Ernährung ist uns schon seit vielen Jahren wichtig aber den ganzen Prozess nun selbst zu erleben, ist noch einmal eine andere Nummer, als auf dem Wochenmarkt bei regionalen Bauern einzukaufen. Nicht nur die Erfahrung des Anbaus an sich hat uns sehr bereichert. Auch hautnah mitzuerleben, was Klimaveränderungen für die Bauern um uns herum bedeuten, war extrem spannend. Während wir die Möglichkeit hatten unsere etwa 95qm große Nutzfläche zu bewässern, verdorrten anderswo die Felder. Diesem heißen und trockenen Sommer ging ein komplett durchregnetes Jahr voraus. In der Landwirtschaft kann man sich nicht auf eine Kontinuität des Wetters verlassen, sondern muss mit der Natur leben und sich ihr anpassen.
Die Pflanzen kamen in Mischkultur in die Erde. Dabei achteten wir natürlich darauf, dass nur Sorten, die sich gut vertragen, nebeneinander gesetzt wurden. Zwischen dem Gemüse bestückten wir die Beete mit Kräutern und essbaren Blumen wie Ringelblume, Tagetes, Kapuzinerkresse und Borretsch. Den Boden mulchten wir mit einer dicken Schicht Stroh bzw. frischem Grasschnitt, damit das Wasser durch langsamere Verdunstung länger gespeichert werden kann. Außerdem zersetzt sich diese Schicht mit der Zeit und gibt Nährstoffe an den Boden ab. Gedüngt haben wir kein einziges Mal. Abgesehen vom Gießen, ein bis zweimal pro Woche, in den Hitzeperioden maximal dreimal und einmaligem Unkraut-Zupfen während der ganzen Saison, hatten wir wenig Arbeit mit der Pflege. Die Wühlmäuse und Maulwürfe haben uns zwar zur Weißglut gebracht, mit ihrem Aus- und Umgraben der Pflanzen, aber neben den wenigen unbeliebten Gästen im Garten, konnten wir uns über viele Nützlinge freuen. Igel wohnen in einem Wall aus Ästen, Unmengen kleiner Frösche springen auf unserem Grundstück herum. Bienen, Fledermäuse, Marienkäfer und eine Vielzahl an Vögeln tummeln sich im Garten. Es summt, singt und quakt in jeder Ecke. Die Tiere fühlen sich wohl in unserem kleinen Paradies und helfen bei der Gartenarbeit indem sie Blattläuse, Schnecken und andere Schädlinge vertilgen. Dank des gesunden Ökosystems konnten wir eine Menge ernten.
Über den Weg zum eigenen Gemüse, unseren Prozess, möchten wir euch auch ein wenig berichten. Fangen wir noch einmal ganz von vorne an. Im Februar ging es los mit der Anzucht der Jungpflanzen. Alle unsere Pflanzen haben wir vom Saatkorn, aus samenfestem Bio-Saatgut, aufgezogen, sie Wochenlang gehegt und gepflegt, bis sie dann endlich in den Boden konnten. Sieben verschiedene Sorten Kartoffeln, Rot-, Weiß- und Grünkohl, Radieschen, Erbsen, Fenchel, Brokkoli, Rote Bete, Rettich, neun Sorten Tomaten, Auberginen, Artischocken, Gurken, Chili, Paprika, Bohnen, Zucchini, Kürbis, Lauch, Rosenkohl, Knoblauch, Zwiebeln, Salate, Kohlrabi, Blumenkohl, Wirsing, und Meerrettich. Das alles natürlich nicht willkürlich verstreut und zeitgleich, sondern anhand eines Aussaatkalenders, den wir auf Grundlage unseres Saatgutes zusammengestellt hatten.
Der Ursprüngliche Plan war es, jedes Gemüse dort anzupflanzen, wo es die besten Vorraussetzungen vorfindet. Waldbeeren an einem schattigeren Platz mit saurerem Boden, Sonnenliebhaber an der Südseite des Hauses um möglichst viel reflektierendes Licht und Wärme abzufangen usw. Schnell merkten wir dann aber, wie schwierig diese Art des Anbaus sein kann, wenn man bei Null anfängt. Wir entschieden uns dann ein großes Hauptbeet mit Wegen als Bauerngarten anzulegen.
damit am Ende auch verschiedene Dinge herauskommen, an denen man die kalten Monate über Spaß hat. Vor allem, wenn es in der Küche dann doch einmal schnell gehen muss, ist es wunderbar sich daran bedienen und mit wenigen Handgriffen tolle Gerichte zaubern zu können. Mit unserem ersten Gartenjahr sind wir mehr als zufrieden und sehen dem nächsten mit Spannung entgegen! Bis dahin gibt es noch viel zu lernen. Denn auch wenn wir scheinbar ein gesundes Ökosystem in unserem Garten haben, müssen wir nach dem ersten Jahr noch viel genauer darauf achten, was wir wo anbauen möchten, um dieses Ökosystem auch zu erhalten. Bisher haben wir uns hauptsächlich mit der Mischkultur beschäftigt. Abgeerntete Flächen, wie zum Beispiel unser Kartoffelbeet, haben wir bereits mit Bodenverbesserern, wie Senf, bestückt. Wenn wir auf den bewirtschafteten Flächen nächstes Jahr wieder anbauen möchten, müssen wir uns aber noch mit Fruchtfolgen auseinander setzen. Nicht nur durch eine Mischkultur, sondern vor allem auch einen regelmäßigen Wechsel der Kulturen, können Krankheiten und eine einseitige Nährstoffnutzung vermieden werden. Je nachdem, wie viele Nährstoffe eine Pflanze verbraucht, wird sie den Stark-, Mittel- und Schwachzehrern zugeordnet. Auf unserem Kartoffelbeet sollten wir im nächsten Jahr also keinen Kohl, Kürbis, Lauch oder Zucchini anbauen, da all diese Pflanzen zu den Starkzehrern zählen und dem Boden sehr viele Nährstoffe entziehen. Im nächsten Jahr können dort zum Beispiel Fenchel, Rote Bete und Salate unterkommen. Abgesehen davon möchten wir unsere Beete in der nächsten Gartensaison noch mehr durch Vor- und Nachkulturen ausnutzen. So kann ein und dasselbe Beet das Jahr über mehrere Gemüsesorten nacheinander beherbergen. Im Frühjahr sät man zum Beispiel Spinat, der etwa bis Mitte Mai abgeerntet wird. Daraufhin können, an dieser Stelle, Buschbohnen in die Erde. Diese werden wiederum gegen Ende August geerntet und schaffen Platz für Feldsalat und so weiter. Wie viele Jahre es wohl dauern wird, bis das alles keine böhmischen Dörfer mehr für uns sind?
Ganz genau dokumentiert haben wir den Ertrag leider nicht. Für euch und auch aus reiner Neugier, haben wir unsere Ernte zumindest teilweise notiert: aus den 7 Sorten à 5 Kartoffeln wurden insgesamt 24 Kilogramm. Einige der Sorten waren sehr erfolgreich, wie Sieglinde mit 5 Kilogramm und Ackersegen mit 5,5 Kilogramm, andere fielen weniger üppig aus. Aber es kommt ja nicht nur auf die Menge an, sondern vor allem auf den Geschmack! Die Bamberger Hörnchen, die nur etwa 2 Kilo Ernte einbrachten, werden wir nächstes Jahr dennoch wieder anbauen. Heiderot, Mayan Gold, Schwarze Russische und Violetta wurden auch von den Wühlmäusen sehr geliebt, da müssen wir uns wohl etwas einfallen lassen oder eben weiterhin teilen. Unsere Zucchini…dazu kann man kaum etwas sagen. Wir haben schnell aufgehört sie zu zählen, aber es waren im Schnitt 6-8 Stück pro Woche ab Juli bis Anfang Oktober. Gurken konnten wir ab Juli ca. 5 Stück pro Woche ernten, Kürbisse waren es bisher 21 Stück, Tomaten 27 Kilogramm, Tendenz steigend. 8 Kohlrabi, 20 Knollensellerie, jeweils 7 Weiß- und Rotkohle, ebenfalls 7 Wirsingköpfe, 20 Rote Bete, 10 Stangen Lauch, 15 Fenchel, wobei wir die Hälfte der Fenchelknollen an die Wühlmäuse verloren haben. Auch Obst und Walnüsse konnten wir in Hülle und Fülle ernten und standen schnell vor dem Problem, es gar nicht alles frisch verwerten zu können. Deswegen durften sich die Nachbarn dankend bedienen und es wurden etwa 20 Kilogramm Kirschen zu Marmelade gekocht, gedörrt, in Salz und Essig eingelegt oder zu Kompott verarbeitet. Gute 200 Kilogramm Äpfel wurden zu Saft gepresst, zu Apfelmus und Chutney verarbeitet, zu Apfeldicksaft eingekocht und zu Apfelringen gedörrt. Unser Vorratsschrank füllt sich immer weiter mit Leckereien. Seien es Einlegegurken, Tomatensauce, Holunderbeersirup, diverse Fermente und auch experimentelle Sachen wie Fichtenspitzen in Honig oder Löwenzahnsirup sind dort zu finden. Sauerkraut in drei Varianten, Knoblauch in Waldhonig, Gurkenkimchi, Antipasti, getrocknete Tomaten. Wenn man all das wunderbare Gemüse „aus der Not heraus“ einkocht, fermentiert oder anderweitig haltbar macht, fängt man an kreativ zu werden,